Hintergrund Atomenergie für technische Laien

 

Gibt es „atomfreien" Strom aus der öffentlichen Leitung?

In Zuge der Marktöffnung für elektrische Energie bieten einige neue Unternehmen „atomfreien" Strom an. Ihnen wird entgegengehalten, dass jeder Strom, gleich wie er erzeugt wurde, „in den großen Pool" komme und an der Steckdose nicht mehr unterscheidbar sei. Dieser Gegenhalt ist falsch. Sehr wohl kann auch über das allgemeine Stromnetz Energie von bestimmten Erzeugern bezogen werden.

Sich den „Strom" in einem großen Pool vorzustellen, ist ein ungeeigneter Vergleich. Wenn es sich um Gas in Gasleitungen handelte, ist die Aussage richtig, denn das ganz spezielle Gas eines Einleiters käme natürlich nicht an einem bestimmten Verbraucher an. Elektrische Energie ist aber nicht gegenständlich, sondern nichts als eine Ar-beit. Die Elektronen werden in den Leitungen nicht wirklich transportiert, sondern nur hin- und herbewegt.

Man stelle sich das gesamte Stomnetz als einen riesigen Treibriemen vor, der immer kräftig, aber ganz wenig hin- und herbewegt wird. Der Treibriemen bleibt immer derselbe, er nimmt nicht zu und nicht ab. Er wird noch nicht einmal
transportiert. Und trotzdem ist es möglich, dass an einem Ende jemand den Riemen mit Kraft bewegt, während an einem anderen Ende sich jemand diese Energie zunutze macht. Alle Energieerzeuger hängen an die-sem Treibriemen und ebenso alle Energienutzer. Wenn jetzt ein neuer Nutzer dazukommt, muss mindestens einer der Erzeuger mit mehr Kraft rütteln, sonst bekommen alle zu wenig. Wenn ein Kunde abschaltet, muss mindestens einer der Erzeuger weniger Kraft einsetzen. Energieeinspeisung und Energienachfrage müssen immer genau gleich sein. Genauso ist es auch im öffentlichen Stromnetz.

Wenn ich als Energienutzer die Energie nun von einem ganz bestimmten Erzeuger haben will, muss der dafür sorgen, dass er gerade dann, wenn i c h einschalte, entsprechend mehr einspeist. Dann bleiben alle anderen Er-zeuger davon völlig unberührt. Deshalb ist bei der „grünen" Stromversorgung die GLEICHZEITIGKEIT der Einspeisung ungeheuer wichtig. Nur ein Stromversorger, der gleichzeitig je nach Nachfrage für seine Kunden einspeist, hält alle anderen Erzeuger außen vor. Man kann mit gutem Recht sagen, dass der Strom dann nur von diesem Anbieter kommt,
und nicht aus irgendeinem anderen Werk.

Sollte ein Anbieter allerdings unplanmäßig ausfallen ohne für diesen Fall vorzusorgen, ist es nicht so, dass alle seine Kunden plötzlichen keinen Strom mehr haben. Da alle am gleichen Netz hängen, springen die anderen Er-zeuger
automatisch ein, ob sie wollen oder nicht. Das gilt allerdings für jeden Erzeuger und auch immer nur dann, wenn er versäumt, Reserve bereitzustellen.

 

Klaus Gärtner, Landesarbeitsgemeinschaft Energie der GAL Hamburg