SZ-Gespräch mit dem grünen Türkeiexperten Siegfried Martsch

" Panzer überrollt Hoffnung auf Demokratie"

Der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete der Grünen, Siegfried Martsch, gilt in der Bundespartei als Fachmann für Kurdistan und die Türkei. Im Konflikt mit der Deutschland-Filiale der verbotenen kurdischen PKK hat er das Kanzleramt beraten. Gegen Martsch gab es jahrelang ein Einreiseverbot in die Türkei. Mit Martsch sprach Hans Leyendecker.

SZ: Herr Martsch, die Türkei wird zu Testzwecken einen Leopard II A5-Panzer bekommen. Erst sehr viel später soll dann die Entscheidung über den möglichen Verkauf von weiteren tausend Panzern an den Nato-Partner fallen. Ist die Aufregung über den Verkauf eines Testpanzers nicht ein bisschenübertrieben?

Martsch: Die Lieferung eines Testpanzers ist das völlig falsche Signal und schadet der Demokratiebewegung in der Türkei enorm. Die Militärs kapieren doch sofort, dass den Deutschen die Menschenrechte weniger wichtig als lukrative Geschäfte sind. Das ist ihr Sieg, ihr Triumph. Die paar zarten Pflänzchen, die auf mehr Demokratie in der Türkei hoffen ließen, werden überrollt.

SZ: Ihre Berliner Parteifreunde weisen darauf hin, dass der Export nicht mit dem rot-grünen Koalitionsvertrag zu vereinbaren sei. Darüber wird auch im Koalitionsausschuss gesprochen.

Martsch: Ja, das ist richtig, aber für mich nur ein Seitenaspekt der Debatte. Mir geht es darum, dass die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik für die Menschen in der Türkei glaubwürdig ist. Die Türkei braucht unsere Unterstützung auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaft, in der auch Menschenrechtskonventionen etwas gelten.

SZ: Kanzler Gerhard Schröder sind die Interessen der Wirtschaft zumindest so wichtig wie die Wünsche des Koalitionspartners. Er hat Arbeitsplätze versprochen, und das profitable Rüstungsgeschäft würde Arbeitsplätze bringen.

Martsch: Erst der Kanzler als Automann, jetzt der Kanzler als Panzermann. Was kommt dann noch? Seit Mitte der sechziger Jahre hat Deutschland der Türkei Rüstungsgüter für mehr als sieben Milliarden Mark verkauft und die Wirtschaft hat deshalb nicht geboomt. Die vielen neuen Arbeitsplätze, die der Panzerexport angeblich bringen soll, sind nicht realistisch.

SZ: Der Leopard kann, so argumentieren die Befürworter des Exports, nicht gegen die kurdischen Dörfer eingesetzt werden.

Martsch: Ich halte diese Argumentation für Blödsinn. Jeder Erfolg des Militärs vergrößert seine Möglichkeiten beim Kampf gegen die kurdische Bevölkerung. Tausende kurdischer Dörfer sind systematisch zerstört worden. Statt Panzer zu liefern, sollte sich Schröder für die Freilassung von ehemaligen Abgeordneten aus den Gefängnissen einsetzen. Das wäre mal ein richtiges Signal.