Bündnis 90 / Die Grünen Berlin
Europa AG

25.10.99


Beschluß zur Panzerlieferung an die Türkei

Die Europa AG legt dem Berliner Landesvorstand und dem Bundesfachbereich Außenpolitik folgenden Beschluß vor, mit der Bitte, diesen oder einen ähnlichen Text auf der nächsten BDK einzubringen:

"Faßt der Bundessicherheitsrat im Jahr 2000 oder später den Beschluß, die Lieferung von Panzern, auch in reduzierter Stückzahl, an die Türkei zuzulassen, sollen unmittelbar darauf die Grünen Bundesminister vom Kabinett zurücktreten und die grüne Bundestagsfraktion die Koalition für beendet erklären."


Begründung

1. Die Menschenrechtssituation in der Türkei läßt nach dem Koalitionsvertrag eine solche Lieferung nicht zu. Das dort aufgeführte menschenrechtspolitische Kriterium für Waffenlieferungen an nicht-EU bzw. nicht-NATO-Staaten gilt selbstverständlich auch für Mitgliedstaaten dieser Organisationen. Einerseits eignen sich diese Waffen für den Einsatz im Krieg gegen die Kurden, der jedoch nicht mit miltärischen Mitteln zu lösen ist, sondern friedlich beendet werden muß. Zweitens stärken diese Waffenlieferungen den ohnehin unvertretbar starken Einfluß des Militärs in der türkischen Politik, wodurch die Menschenrechtssituation des Landes strukturell verschlechtert wird. Oppositionelle im ganzen Land werden daher aufgrund der Lieferung selbst dann leiden, wenn die Panzer nicht gegen Demonstrationen eingesetzt werden.
Eine Panzerlieferung verstößt auch gegen den Verhaltenskodex der EU zu Rüstungsexporten. Der EU-Rüstungskodex muß von allen Mitgliedstaaten beachtet werden. Eine Verletzung des Kodex durch die rot-grüne Bundesregierung, die sich immer für seine weitere Verschärfung und die Erhöhung seiner Rechtsverbinlichkeit eingesetzt hat, würde Fortschritte in der gemeineuropäischen Rüstungskontrollpolitik in den nächsten Jahren unmöglich machen und hätte verheerende Auswirkung auf die politischen Gruppen, die sich in anderen Mitgliedstaaten für eine Verschärfung der Rüstungskontrollpolitik einsetzen.

2. Die Lieferung von Panzern an die Türkei ist aber nicht alleine aus menschenrechtspolitischen Gründen abzulehnen, sondern v.a. auch wegen der politisch und militärisch destabilisierenden Wirkung auf die Region.

Festzustellen ist:

(1) Mit 1000 Leo-2 würde die türkische Armee zu den mächtigsten der Welt gehören.
(2) Die Türkei hat in den letzten 10 Jahren viele seiner Nachbarn wegen Auseinandersetzungen, die im internationalen Geschäft alltäglich sind, mit Krieg bedroht.
(3) Die Türkei hat ihren Status als Schutzmacht der türkischen Bevölkerungsgruppe in Zypern mißbraucht, um widerrechtlich einen Teil der Insel zu besetzen. Sie fällt zudem regelmäßig militärisch in irakisch-Kurdistan ein.

Die Hochrüstung der Türkei, die von der NATO unterstützt wird, ist ein Beispiel für die unverantwortliche, gewalttätige Ordnungspolitik der NATO. Die EU muß ihr ein friedliches Zeichen entgegensetzen. D.h.: Nicht nur dürfen keine Leos an die Türkei geliefert werden, die EU muß alle friedlichen Druckmittel dafür einsetzen, um zu erreichen, daß auch keine anderen Lieferungen von dieser Größenordnung unternommen werden.

Die Türkei muß nicht nur ihre Menschenrechtssituation verbessern, sie muß auch eine friedliche Lösung des Zypernkonflikts ermöglichen und auch andere Konflikte, in denen sie verwickelt es - zu denken ist dabei beispielsweise an den Konflikt um das Euphrat-Wasser, das sie mit Staudämmen abzweigen möchte -, friedlich und ökologisch verantwortlich lösen. Und sie muß die vom Erdbeben zerstörten Gebiete wiederaufbauen. Dazu braucht man keine Panzer, sondern finanzielle Mittel, die man nach gegenwärtiger Planung für Waffen verschwenden will.