11. September 2001 und die Folgen
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Rüdiger Sagel, MdL NRW Buendnis 90/Die Gruenen

Münster, den 17. September 2001

Frieden sichern - gegen Terror und Krieg

Gewalteskalation verhindern - immer wieder und ueberall

Mit den Anschlaegen in den USA auf das World Trade Center und das Pentagon hat der Terrorismus eine grauenhafte neue Dimension erlangt. Massenhaft Tote unter der zivilen Bevoelkerung wurden bei der Planung und Durchfuehrung von den Taetern nicht nur in Kauf genommen, sondern offensichtlich kaltbluetig mit ins Kalkuel gezogen. Es zeichnet sich mittlerweile ab, dass mehr als 5.000 Menschen bei den Anschlaegen ihr Leben verloren.

Mit diesen Terrorakten wurde aber nicht nur im Hinblick auf getoetete Menschen eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Zum ersten Mal wurde auch, die nach bisherigen Erkenntnissen hier vorhandene netzwerkartige, globale Organisation des Terrorismus wie auch die global zu erzielende Auswirkung durch einen terroristischen Anschlag fuer die Welt offensichtlich.

Eine dauerhafte und aeusserst notwendige Loesung des Problems des entstaatlichten Terrorismus, der sich nicht nur gegen wirtschaftliche und militaerische Vorherrschaft sondern vermutlich auch gegen westliche und demokratische Kultur richtet und religioes unterfuettert ist, sowie das zur gerichtlichen Verantwortung ziehen der Taeter wirft dadurch neue Fragestellungen auf, fuer die es bisher auch nicht einmal ansatzweise Loesungen gibt. Da die Organisation des Terrors sich nun nicht mehr auf einen einzelnen klar zu bestimmenden Nationalstaat beschraenkt, geschweige denn man bisher ueber die Organisatoren ueberhaupt eindeutige und klare Informationen hat, ist auch die gezielte Bekaempfung nun alles andere als eine mit rein militaerischen, nach meiner Meinung vermutlich militaerisch gar nicht zu loesende Aufgabe.

Die vom amerikanischen Praesidenten geaeusserten martialischen Formulierungen - "Wir werden einen langen Kreuzzug gegen den Terrorismus fuehren" oder "einen monumentalen Kampf gegen das Boese fuehren", "Wir sind im Krieg" und "wanted dead or alive" - unterstreichen lediglich die amerikanische Absicht, mit allen Mitteln vorzugehen und von der Weltoeffentlichkeit ernst genommen zu werden. Die ueberzogene sprachliche Ausdrucksweise ist aber letztlich nur ein Indiz fuer die Hilflosigkeit, in der sich die amerikanische Politik derzeit befindet, und soll ueber das offenkundig vorhandene Dilemma hinwegtaeuschen. Die aktuellen Probleme, "den Feind" nicht nur raeumlich zu lokalisieren, sondern als erstes ueberhaupt einmal eindeutig zu bestimmen, sind dafuer bezeichnend. Geheimdienste versuchen ueblicherweise, Raedelsfuehrer und die verantwortliche Fuehrung zu definieren. Es ist aber zur Zeit ueberhaupt nicht klar, ob diese so ueberhaupt existieren. Netzwerkartige, ohne klare Fuehrungshierarchien agierende Organisationen waren schon in der Vergangenheit kaum zu fassen.

Krieg kann leicht eskalierende und fatale Folgen haben

Die Planung und Durchfuehrung von militaerischen Aktionen oder gar Krieg gegen Nationalstaaten kann daher nicht nur unter diesem Aspekt leicht eskalierende und fatale Folgen haben. Und gegen wen soll sich der amerikanische Militaerschlag mit Erfolg richten, wenn die Organisatoren und Ausfuehrenden des Terrors in und aus verschiedenen Laendern agieren und sich vermutlich auch finanzieren? Zudem kann im Gegensatz zur stoerungsanfaelligen und materiell reichen westlichen Gesellschaft ein Angriff z.B. auf ein Land wie Afghanistan, das von Kriegen und Krisen ohnehin zerruettet und zerstoert ist und durch eine schwierige geografische Beschaffenheit gekennzeichnet ist, vermutlich nur ins Leere gehen. Die 50.000 toten russischen Soldaten sollten hier eine ernste Warnung sein, die Problemloesung auf anderem Wege zu suchen. Die Festnahme der Terroristen muss erreicht werden. Eine Rueckkehr zu nicht militaerischem und politischem Vorgehen, in Kooperation auch mit verschiedenen islamischen und arabischen Staaten und/oder politischer und wirtschaftlicher Druck zur Auslieferung von Tatverdaechtigen und Schuldigen scheint wesentlich vielversprechender. Militaeraktionen wo auch immer werden nach bisherigen Erfahrungen Tote auch unter der Zivilbevoelkerung nach sich ziehen. Eine Fluechtlingskatastrophe hat bereits die Androhung ausgeloest. Die von Joschka Fischer vertretene These "der Eskalation durch nicht handeln" ist so zu widersprechen. Denn angesichts der Problematik sind militaerische Mittel nicht geeignet, das Problem zu loesen und unterstuetzen auch nicht die Problemloesung. Der offensichtliche Beweggrund der USA-Fuehrung, in der jetzigen Situation erneut Staerke zu demonstrieren, kann insbesondere fuer deutsche Politik kein Massstab sein, um Militaereinsaetze zu unterstuetzen. Eine gegen Terror und Krieg gerichtete Friedenspolitik muss aber ueberall und immer versuchen zu verhindern, dass es zur weiteren Eskalation und zu Toten kommt.

Die Rechnung der Terroristen, die auf eine Eskalation setzen, darf nicht aufgehen. Glaubwuerdig ist eine rechtsstaatliche Demokratie nur, wenn sie bei der Ermittlung und Bestrafung der Taeter ihre eigenen Prinzipien nicht verletzt. Krieg hingegen nuetzt weder den Opfern des Terrors noch ist er ein geeignetes Mittel zur Verhinderung oder Eindaemmung des Terrorismus. Deshalb ist eine Beteiligung der NATO und der Bundeswehr an einem solchen Krieg abzulehnen. Die Gruenen haben sich in der Vergangenheit fuer die Aufloesung der NATO und eine Entmilitarisierung Deutschlands eingesetzt. Dies halte ich aus grundsaetzlichen Erwaegungen und pazifistischer UEberzeugung auch weiterhin fuer sinnvoll. Da in der gegenwaertigen Situation die Bundesrepublik Mitglied der NATO ist, von der NATO der - wenn auch konditionierte - Buendnisfall erklaert wurde und von unserer Regierung dem zugestimmt wurde, muss jetzt aber vor allem darauf hingewirkt werden, jegliche Eskalation zu verhindern.

Bruecken der Verstaendigung bauen - Globalisierung sozial und oekologisch gestalten

Mit der These von einer "Kriegserklaerung gegen die zivilisierte Welt", wie sie nicht nur von der amerikanischen sondern auch von der deutschen Regierung verlautbart wurde, koennte zudem die schon laenger von christlich-abendlaendischen Fundamentalisten proklamierte Ansicht vom "Kampf der Kulturen" in den westlichen Gesellschaften gefaehrlichen Zulauf gewinnen. Die Trennung in eine "zivilisierte" und eine "unzivilisierte Welt", in Abendland und Orient vertieft die Graeben. Jetzt kommt es darauf an, in unseren Gesellschaften keine Feindschaft gegen "den Islam" zuzulassen, sondern Bruecken zu bauen. Auch der Islam ist eine friedfertige Religion. Der Weg ins Paradies fuer terroristische Anschlaege ist das Versprechen der geistigen Drahtzieher aber nicht die Botschaft dieser Religion.

Ein erstes Fazit des Terrors ist bereits jetzt, dass die mit Milliardensummen ausgestatteten Geheimdienste, nicht nur der Amerikaner, voellig versagt haben. Die fanatischen, subversiv und eiskalt (selbst-) moerderisch vorgehenden Taeter haben eine Vorklaerung der terroristischen Absicht absolut ins Leere laufen lassen. Die Beschwoerungsformeln auch Deutscher Politiker, dass die Lage in der Bundesrepublik sicher sei, mag daher als Wunschdenken noch richtig sein, um nicht zur Beunruhigung oder Hysterie in der Bevoelkerung beizutragen, doch ob dies wirklich stimmt und dies auch noch bei einer sich rasch weiter entwickelnden Lage, wie sie z.B. durch die deutsche Zustimmung zum Buendnisfall und dann folgender militaerischer Aktionen gegeben ist, sollte besser jedeR selbst beurteilen.

Die Bekaempfung des Terrorismus bleibt vordringliche Aufgabe. Fuer eine dauerhaft wirksame Bekaempfung des Terrorismus ist es aber wesentlich, dass zukuenftig die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme geloest werden, die den Naehrboden liefern. In diesem Zusammenhang muss auch die Politik der USA und der westlichen Industrielaender kritisch betrachtet werden. Gerade die USA haben den Hauptverdaechtigen Osama Bin Laden nicht nur jahrelang unterstuetzt, bis sich dieser nach dem Rueckzug der Russen aus Afghanistan gegen die USA selbst wandte. In Laendern wie Chile, Iran, Panama und vielen mehr haben die USA Diktaturen und ihre Diktatoren mit Waffen unterstuetzt und davon profitiert, sie militaerisch aufgeruestet oder mit Hilfe des CIA ihre wirtschaftlichen Interessen z.B. fuer die OElversorgung ruecksichtslos und unter Inkaufnahme zahlreicher Opfer durchgesetzt. Dies schuert ebenso Hass und infolge auch Terrorismus, wie die Folgen der ungerechten Weltwirtschaftsordnung und die ungleiche Verteilung des globalen Reichtums. Wirtschaftliche und materielle Ungleichheit, Armut und Hunger sind alles andere als ein gutes Mittel fuer eine friedliche Entwicklung auf unserem Planeten. Eine global zivilisierte Welt erfordert auch zivilisierte Problemloesungen und einen sozialen und oekologischen Globalisierungsprozess.