Grüner Parteitag in Rostock und die Folgen
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Erklärung zum Parteitag von Bündnis90/Die Grünen in Rostock

Aufgabe der friedenspolitischen Positionen

Der Parteitag in Rostock als oberstes Parteiorgan hat entschieden: Auch
die Grünen sind für eine deutliche Zäsur in der Nachkriegsgeschichte: Von
deutschem Boden darf wieder Krieg ausgehen. Die Salamitaktik, die zuletzt
in der Zustimmung zum Kosovo-Krieg einen weiteren Höhepunkt hatte, ist
damit aufgegangen. Gleichzeitig wird deutlich: Die Zustimmung zum
Afghanistan-Krieg, die Zustimmung zu einem Einsatz der Bundeswehr in
diesem Krisengebiet ist unabänderlich verbunden mit einer Bereitschaft zu
weltweiten Einsätzen der Bundeswehr. Die 80%-Mehrheit für den
Kriegseinsatz, kam auch nur deshalb zustande, weil die Parteitagsstrategen
mit Erschrecken festgestellt haben, dass sogar die Kriegsbefürworter eher
als die, die den Krieg nur akzeptieren eine Mehrheit hatten. Die Angst zu
viele Mitglieder und WählerInnen zu verlieren, hat im Antrag des
Parteivorstandes grundsätzliche Zugeständnisse an die Kriegsgegner/innen
möglich gemacht. Diese Taktik reicht uns jedoch nicht. Friedenspolitik ist
auf Grünen Parteitagen strukturell nicht mehr mehrheitsfähig. Für zu große
Teile der Grünen Basis ist die Beteiligung an der Koalition wichtiger als
die frühere Säule der Partei, die Friedenspolitik: Zu leichtfertig wurde
darüber hinweggesehen, dass gegen zahlreiche politische Grundsätze bei
diesem Krieg verstoßen wurde.

¨ Das Fehlen von politischen Konzeptionen gegen den Terror
¨ Bündnis mit einer Nordallianz, die für Raub, Plünderungen und
Vergewaltigung steht
¨ Die von den Amerikanern eingesetzten militärischen Mittel trafen vor
allem zivile Opfer und zerstörten ein weiteres Mal eines der ärmsten
Länder der Welt. ¨ Die UNO wurde wieder einmal zum Spielball
amerikanischer Interessen gemacht und nicht zum wesentlichen Akteur dieser
Krise ¨ Bis heute gibt es keine politischen Konzeptionen für ein
Afghanistan nach den Taliban. Die geplante Konferenz auf dem Petersberg
kommt zu spät und bezieht zu wenige mit ein.

Nicht nur in der SPD hat mit dieser Zustimmung zu grundsätzlichen
Kriegseinsätzen die Linke aufgehört zu existieren. Innerhalb der Grünen
ist sie bis auf weiteres so marginalisiert, dass wir keine Chance für eine
Erneuerung sehen.

Die Verknüpfung der Vertrauensfrage mit einer Sachfrage ist eine
durchaus auch verfassungsrechtlich umstrittene Operation gewesen, sie
bedeutet eine Entmündigung des Parlamentes und eine gefährliche Option für
die Zukunft, besonders weil sie auf dem Parteitag von der Parteispitze
gegenüber der Basis genauso angewandt wurde, wie vom Kanzler gegenüber dem
Parlament.

Gefährdung der demokratischen Grundrechte
Wir fürchten, dass diese machtpolitisch kalkulierte Operation in die
Geschichte eingehen wird als der Auftakt zur Demontage der
bundesdeutschen Nachkriegsdemokratie, da sich eine ähnlich unheilvolle
Entwicklung sich bei den Grundrechten abzeichnet. Weiträumig werden
Grundrechte der bundesdeutschen Staatsbürger/innen und ausländischen
Mitbürger/innen ausgehebelt und verschärft. Diese Demontage der
Grundrechte ist präventiv eine Gefahr für unsere Demokratie. Dabei stellen
wir fest, dass kein einziger terroristischer Anschlag auch nur zu
befürchten wäre. Experten stellen außerdem fest, dass die bisherigen
Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden ausreichen, um hier präventiv
tätig werden zu können. Der Verdacht liegt nahe, dass wie in den USA, die
terroristischen Angriffe zum Vorwand genommen werden, um kritische
Bürgerinnen und Bürger mundtot zu machen und einzuschüchtern. Burkhard
Hirsch hat unlängst in einem Artikel in der SZ deutlich gemacht, dass
diese Grundrechtsänderungen einen totalitären Zug aufweisen. So soll das
Bundesamt für Verfassungsschutz künftig einen ungehinderten Zugang auf
Dateien der Telekommunikation (Telefon, Handy, e-mail und Internet)
erhalten. Einblick in Bankverbindungen, Beobachtung der Daten von
Fluggesellschaften, die Speicherung biometrischer Daten, all das wird
traurige Realität. Damit werden die Bürger zu Objekten eines Staates, sie
sind nicht mehr der Souverän, sie sind entmündigte Kinder. Dennoch hat die
Parteiführung auf der Basis einiger dürrer Kompromisse diesem
Unsicherheitspaket zugestimmt. Finden wir es schon verwunderlich, dass die
SPD aus ihrer Geschichte nichts gelernt hat, so ist dieses Verhalten bei
einer ausgewiesenen Bürgerrechtspartei wie den Grünen ein programmatisches
Waterloo.

Viele Parteifreundinnen und Parteifreunde wenden ein, dass diese
Koalition bereits viel erreicht hat. Gewiss, es gibt deutliche
emanzipatorische Fortschritte in kleineren Bereichen. Jedoch weist die
Gesamtbilanz ein erhebliches Defizit was die Fortschrittlichkeit der
außenpolitischen Ziele, der Sicherheits- und Innenpolitik, der
Entwicklungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, der Atom- und
Verkehrspolitik angeht.

Wir meinen, dass die Grünen in dieser Situation ihre gesellschaftliche
Politikfähigkeit nur wieder gewinnen können, wenn sie aus der Opposition
heraus, mit der außerparlamentarischen Bewegung der
Globalisierungsgegner/innen, der sozialen Bewegungen und der
Friedensbewegung ein politisches Potential aufbauen, das den Bürgerinnen
und Bürgern deutlich macht: Demokratie braucht Bewegung. Dann eventuell
auch wieder mit Regierungsverantwortung. Gerade gegen den neoliberalen
Mainstream der Altparteien SPD, CDU/CSU und FDP schränkt die Beteiligung
an der Regierung den politischen Aktionsradius erheblich ein. Deshalb
haben wir uns entschlossen, entweder der Partei den Rücken zu kehren, weil
wir gegenwärtig nicht an ihre Reformierbarkeit glauben, oder aber in der
Partei zu überwintern, bis sich eine Chance auf programmatische Erneuerung
in der Opposition bietet. In jedem Fall werden wir unsere politischen
Erfahrungen und programmatischen Überzeugungen in die
außerparlamentarischen Bewegungen einbringen.

Dazu kommen für uns alle zum Teil unterschiedliche Gründe für diesen
Schritt.

Diejenigen von uns, die vorläufig noch in der Partei bleiben, werden bis
auf Weiteres keine aktive politische Arbeit für die Grünen leisten.

UnterstützerInnen:

Ausgetreten:
Barbara Gies (ehem. Sprecherin Landesarbeitskreis Wirtschaft, Ex
Stadtvorstand München)
Markus Sippl (ehem. Vorstandssprecher Grüne Jugend M., 1998
LT-Direktkandidat M.-Bogenhausen, Listenplatz 16 auf aktueller
Stadtratsliste)
Sara Haußleitner (Mitglied des Parteirats in Bayern, ehem. Sprecherin
Grüne Jugend München) Gabriela Haußleitner (Gemeinderätin Kirchheim) Gabi
Schindler (Gründungsmitglied der Grünen in Germering) Thomas Schindler
(Gründungsmitglied der Grünen in Germering) Monika Schindler (Kandidatin
Kommunalwahl 1996) Barbara Farnbacher (OV Trudering/Berg am Laim) Renate
Binder (ehem. Kreisvorstand München-Nord) Michael Hülskötter (ehem.
Kreisvorstand München-Nord) Judith Schmalzl (Stadträtin München) Susanne
Feder (Vorstand OV Laim) Reinhard Lisowski (Bezirksausschuss , Vorstand OV
Laim, ehem. Vorstand München-Nord) Gerd Aujezdsky (ehem. Mitglied des BA
Au-Haidhaussen, ehem. Kreisvorstand München-Ost, amtierender Vorsitzender
OV Au-Haidhausen)

Überwintern bis auf weiteres in der Partei:
Erwin Saintpaul (ehem. Kreisvorstand-München-Ost)
Conny Folger, (ehem.Stadtvorstand Müchen)
Martin Ottensmann (ehem. Stadtvorstand Müchen, 1994 +1998
Bundestagskandidat München-Nord)

Aktualisierter Stand zu finden im Internet unter:
http://www.basisgruen.de/laender/bayern

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