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Pressedienst
Nr. 052/99
Datum: 19. April 1999


Waffenstillstand - Zurück zur Politik!
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Der Frauenrat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
hat am vergangenen Wochenende auf seiner Sitzung in Kassel folgenden Beschluß gefaßt:


BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN haben ihr Verständnis von Außenpolitik immer von einem doppelten Grundsatz leiten lassen: Der Absage an militärische Gewalt einerseits und der Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte andererseits.
Im Kosov@ finden gegenwärtig massive Menschenrechtsverletzungen statt. Mit Gewalt, Terror und Willkür wird die Bevölkerung aus dem Land vertrieben. Inzwischen häufen sich Berichte über Vergewaltigungen. Nach neuen Informationen werden junge Frauen gezielt aus den Konvois herausgesucht und abtran
sportiert. Gewalt im Krieg ist immer auch sexualisierte Gewalt gegen Frauen.


Es kommt darauf an, in allen Phasen Spielräume für nicht-militärische Formen der Konfliktbearbeitung immer wieder neu auszuloten.

Die Angriffe von NATO-Luftstreitkräften sind das Ergebnis einer über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verfehlten Balkanpolitik. Der Militäreinsatz galt als "ultima ratio" gegen die ethnischen Vertreibungen durch Milosevic im Kosov@.
In den vergangenen Tagen hat sich jedoch gezeigt, daß die NATO ihr ursprüngliches politisches Ziel, die Regierung Milosevic mit militärischen Mitteln zurück zu den Grundlagen von Rambouillet zu bringen, nicht erreichen konnte und daß das diktatorische Regime eher gestärkt aus dieser Situation her
vorgehen kann. Weite Teile der jugoslawischen Bevölkerung vereinigen sich im Schulterschluß gegen das westliche Bündnis. Mit der massiven Bombardierung hat sich die "humanitäre Katastrophe" nicht abwenden lassen. Vielmehr hat Milosevic die Vertreibungen mit aller Brutalität beschleunigt. Die gest
eckten Kriegsziele sind somit nicht erreicht und eine Zäsur dringend erforderlich, um zu verhindern, daß der Krieg auf dem Balkan unkalkulierbar eskaliert und weitere zivile Opfer fordert.

Angesichts der Dringlichkeit einer Verbesserung der Lage im Kosov@ und um aus der militärischen Logik endlich wieder heraus und hin zu politischem Handeln zu kommen, sehen wir nur noch die Möglichkeit unter neutraler Vermittlung und unter Einbeziehung Rußlands in die vorbereitenden Überlegungen u
nd Verhandlungen zu einem Waffenstillstand zu kommen.


Wir begrüßen die von Außenminister Joschka Fischer ergriffenen Friedensinitiativen; damit erhöhen sich die Chancen zu einer politischen Lösung zu kommen.

Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, sich für folgende Ziele einzusetzen:


Politische Lösungen suchen - die Militärlogik aufbrechen - allen Flüchtlingen die Rückkehr in den Kosov@ ermöglichen

· Sofortige Auswahl und Einsatz eines neutralen Vermittlers in Abstimmung mit dem UN-Generalsekretär und Rußland.
· Ziel einer politischen Lösung ist die Rückführung aller Flüchtlinge in ihre Heimatorte und die Wiederherstellung eines multiethnischen Kosov@.
· Erarbeitung einer neuen Vertragsgrundlage für eine politische Lösung in Zusammenarbeit mit den übrigen PartnerInnen in der Balkankontaktgruppe und unter Einbeziehung des UN-Generalsekretärs.

Beim nachfolgenden Punkt gab es eine Patt-Abstimmung
· Die Luftangriffe sollten befristet einseitig eingestellt werden, um ein deutliches Zeichen zu setzen, daß die NATO an einer diplomatischen Lösung unter Einbindung Rußlands interessiert ist.
· Sofortige Beendigung der NATO-Luftangriffe, um eine Rückkehr an den Verhandlungstisch unter Einbeziehung Rußlands zu ermöglichen.

· Kein Einsatz von Bodentruppen
· Das Gewaltmonopol soll an die UNO zurückgegeben und eine Sicherung durch eine internationale Friedenstruppe auf der Grundlage von Kapitel VII der UN-Charta durchgeführt werden.


Den Flüchtlingen wirksam helfen - für Frauen spezielle Hilfsangebote sicherstellen

· Die Flüchtlinge in Albanien, Mazedonien und den angrenzenden Ländern von UN-Friedenstruppen zu schützen.
· Großzügige Hilfe für die Staaten, die am meisten von der Fluchtwelle betroffen sind und weitere großzügige Aufnahme von Vertriebenen aus dem Kosov@ in Deutschland.
· Frauenspezifische Fluchtgründe, wie beispielsweise Vergewaltigung müssen als Asylgrund anerkannt werden.
· Den unter Traumata stehenden Flüchtlingen - jede/r zweite davon ein Kind- darf nicht noch der Streß dauernd bevorstehender Abschiebungen drohen. Deshalb müssen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit die Rückkehr jeweils nur auf freiwilliger Basis erfolgt.
· Flüchtlingen, die von in Deutschland Lebenden eingeladen werden, sollen von deutschen Auslandsvertretungen unbefristete Visa erhalten und eine finanzielle Unterstützung bekommen.
· Die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge muß Gynäkologie und die sonstige Versorgung von Schwangeren einschließen. Ebenso muß psychologische Versorgung frauenspezifische Ansätze beinhalten.· Aussprache eines formellen Abschiebestopps für Kosov@-AlbanerInnen, serbische Oppositionelle bzw. Deser
teure und Kriegsdienstverweigerern der Jugoslawischen Bundesarmee in Deutschland; ebenso die formelle Aussprache eines Abschiebestopps nach Bosnien-Herzegowina, um eine Gefährdung zurückkehrender Minderheiten - insbesondere in der Republik Srpska- zu vermeiden.

· Deutschland muß sich verpflichten, Kosov@-Flüchtlinge über das bisherige Kontingent hinaus aufzunehmen.


Eine dauerhafte Lösung für den gesamten Balkan anstreben

· Unter Federführung der UNO soll baldmöglichst eine mehrstufige Balkankonferenz einberufen werden, die den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Stärkung aller Balkanstaaten ebenso unterstützen wie die Demokratisierung und das zivile Zusammenleben der Völker.
· Ein gemeinsames Vorgehen des UN-Sicherheitsrates gegen die Vertreibung im Kosov@ ist anzustreben.
· Die Bundesregierung soll sich für eine nachdrückliche und dauerhafte Politik des Empowerments für friedensorientierte Kräfte der Region (NGOs, serbische FriedenspolitikerInnen, FriedensfoscherInne n) einsetzen, insbesondere auch in den Nachbarstaaten Jugoslawiens und des Kosov@, einschließlich wirtschaftlicher Hilfe für alle Gebiete in der Region, die Flüchtlinge aufnehmen.

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