Abschied von der Landesebene in Baden-Württemberg.

Sylvia Kotting-Uhl, 24. April

Anstelle der Bewerbungsrede bei der Wahl zum Landesvorsitz:

Liebe Delegierte!
Täglich sind die Medien dominiert vom Krieg im Kosovo. In den letzten Tagen kommt das Thema "50 Jahre Nato" dazu - und beides hängt zusammen.

Der Washingtoner Korrespondent des "Mannheimer Morgen" zitierte gestern in seinem Bericht vom Nato-Jubiläumsgipfel den Senator Biden: "Wenn wir im Kosovo nicht unsere Ziele erreichen, ist die Nato als Bündnis erledigt" und damit spricht er
ein offenes Geheimnis aus. Das Interesse unserer Grünen VertreterInnen in Bonn, die die Nato-Luftschläge befürworten, ist die Beendigung der dortigen Menschenrechtsverletzungen. Ein anderes Interesse gibt es nicht. Und doch wird dieses Interesse instrumentalisiert. Durch die bedingungslose Einbindung der deutschen Regierung ins Nato-Bündnis können wir uns nicht dagegen wehren.

Die Nato, repräsentiert vor allem durch die USA, hat in diesem Krieg eigene Interessen. Sie will siegen und sie will diesen Konflikt unter ihrem Mandat zum Abschluß bringen. Das entspricht der gewünschten Neudefinition der Ziele der Nato.

Verteidigungsminister Scharping sprach sich in der Debatte am Donnerstag dafür aus, die Befähigung der Nato zum Einsatz in Krisengebieten auszuweiten. Das Bündnis müsse sich neuen Aufgaben wie Konfliktverhütung und Krisenmanagement stellen. D.h., Kompetenzverlagerung von der UNO an die Nato, wie wir das im Kosovo-Konflikt bereits erleben. Dieser Weg mag zu einer Zivilisierung des Militärs führen, vielmehr aber ist er eine Militarisierung der internationalen Außenpolitik.

Liebe Delegierte, der Landesverband hat sich gestern in der Frage, welchen Lösungswegen in der Kosovo-Krise Vorrang eingeräumt werden soll, positioniert. Es war wichtig, daß wir uns positioniert haben, denn die Partei muß in dieser entscheidenden Frage Stellung beziehen - und ich freue mich, daß 40% der Delegierten dem Ausstieg aus der militärischen Logik einen Versuch geben wollten. Nichtsdestoweniger ist der Beschluß der Landesversammlung eindeutig. Er enthält
eine deutliche Unterstützung der derzeitigen rot-grünen Außenpolitik.

Ich kann diese Außenpolitik - die vorrangig auf die Macht militärischer Mittel setzt mit allen daraus folgenden Konsequenzen - nicht mittragen. Was das in letzter Konsequenz für mich heißt, wird sich noch entscheiden, es wird jetzt auch von dem Beschluß in Hagen abhängen. Aber um ein Führungsamt des Landesverbandes kann ich mich nach dem gestrigen Beschluß - den ich respektiere und ernst nehme - heute nicht bewerben. D.h. ich muß meine Kandidatur zurückziehen.

Mit VertreterInnen der Kreisverbände, deren Votum ich habe, habe ich gestern und heute gesprochen, und sie verstehen diese Entscheidung. Die Delegierten, die mich gerne gewählt hätten, kann ich auch nur um Verständnis bitten.
Ich danke Euch.

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