PM 11.06.99 Kosovo

Zur heutigen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an einer internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo erklären die Abgeordneten:Annelie Buntenbach, Monika Knoche, Steffi Lemke, Irmingard Schewe-Gerigk, Christian Simmert, Christian Ströbele, Sylvia Voß:

Die Chance zum Frieden nutzen!

Endlich sind die Kampfhandlungen im Kosovo und die Bombardierungen der NATO beendet. Wir sind darüber sehr erleichtert und sehen darin eine zentrale Voraussetzungen für den Frieden und für die Rückkehr der Vertriebenen und
Flüchtlinge in das Kosovo gegeben. Wir begrüßen, daß durch die gerade vonseiten des deutschen Au-ßenministers forcierten Verhandlungen ein Ende der Kämpfe vereinbart werden konnte. Von zentraler Bedeutung ist, daß Rußland in den Verhandlungen und bei der Lösung eine wichtige Rolle spielt und daß ein Mandat der UNO zur Grundlage des Waffenstillstandes und einer Friedenslösung erreicht wurde.
Wir lehnen deshalb den Antrag der Bundesregierung und die deutsche Beteiligung an der Friedenssicherung im Kosovo nicht ab.

Wir lehnen allerdings den Versuch in dem Antrag der Bundesregierung, die NATO-Luft-angriffe auf Jugoslawien nachträglich durch dieses Ergebnis zu legitimieren, ab.
Nach 75 Tagen Bombardierungen durch die NATO und nach den jetzt getroffenen Vereinbarungen sehen wir weiterhin erhebliche Risiken für eine friedliche Entwick-lung der Region, die nicht allein mit der UN-Mandatierung über Kapitel VII (Friedenserzwingung) zusammenhängen.

Wir werden deshalb mit Enthaltung stimmen.

Die Luftangriffe der NATO haben die humanitäre Katastrophe im Kosovo nicht verhindert. Mit Beginn der Bombardierungen hat sich die Situation der Menschen dramatisch verschlechtert. Das Milosovic-Regime hat die Militärschläge als Kulisse für eine brutale Vertreibungspolitik genutzt. Damit haben die NATO-Bomben auch dieser menschenverachtenden Strategie in die Hände gespielt.
Durch die NATO-Bomben wurden viele Menschen im Kosovo und in ganz Jugoslawien getötet und verletzt, ihre Lebensgrundlagen wurden zerstört und unermeßliche ökologische Schäden angerichtet.

Die dauerhafte dominante Präsenz der NATO als Kriegspartei ist eine Hypothek für den Friedensprozeß und ein kaum geeignetes Instrument für die notwendige Konfliktdeeskalation. Die Rolle Rußlands in die Kommandostruktur ist weitgehend ungeklärt.

Über die künftige Rolle der bewaffneten Kräfte der UCK besteht Unklarheit. Die Vergangenheit des neuen Generalstabschefs der UCK, des kroatischen Brigadegenerals Ceku, der eine zentrale Rolle bei der ethnischen Säuberung und der Vertreibung von fast 200.000 Serben aus der kroatischen Region Krajina gespielt hatte, ist für die serbische Bevölkerung im Kosovo Grund zu Angst und Flucht. Die Forderungen von UNO und NATO nach Entwaffnung der UCK, ohne eine verbindliche Zusage und Garantie durch die UCK, reichen nicht, um der serbischen
Bevölkerung die Ängste zu nehmen.

Die Ankündigung, der Bevölkerung im serbischen Teil Jugoslawiens keine Wiederaufbauhilfe zur Verfügung zu stellen, solange Milosevic Präsident ist, halten wir für unverantwortlich, nachdem mit NATO-Bomben die Infrastruktur des
zivilen Lebens im Land und unzählige zivile Arbeitsplätze zerstört und der Zivilbevölkerung die Exi-stenzgrundlage damit genommen wurde. Ein weiteres Mal soll die Zivilbevölkerung in Haftung für die Menschenrechtsverletzungen von
Milosevic genommen werden.
Für die Wiederherstellung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung in ganz Jugoslawien, die durch serbische Minen, NATO-Bomben, abgereichertes Uran aus NATO-Munition und serbische Brandschatzung vernichtet wurden, tragen NATO, EU-Staaten und die BRD besondere Verantwortung.