Bündnis 90/Die Grünen
Bundesvorstand

Pressedienst
Nr. 042/99
Datum: 29. März 1999

Alle Ansätze zu einer Lösung des Kosovo-Konfliktes ernsthaft prüfen
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Zur aktuellen Situation im Kosovo-Krieg erklärt der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Im Kosovo entwickelt sich eine ungeheuere humanitäre Katastrophe.
Wir haben die Intervention von NATO-Luftstreitkräften in Jugoslawien seit ihrem Beginn am 24. März trotz zahlreicher, vor allem völkerrechtlicher Bedenken unterstützt, weil nach unserer Hoffnung auf diesem Weg die Möglichkeit bestand, der verbrecherischen Politik der serbischen Führung gegenüber
der albanischen Bevölkerungsmehrheit im Kosovo Einhalt zu gebieten und die Durchsetzung des Friedensvertrages von Rambouillet zu erzwingen. Wir sind uns nach wie vor des Dilemmas bewußt, das darin liegt, die Menschenrechte durch ein Vorgehen zu verteidigen, das einen unbezweifelbaren Verstoß gegen das bisherige Völkerrecht einschließt.

Für uns gilt in diese Frage eine klare Grundüberzeugung: Die internationale Politik muß und wird in Zukunft die Verpflichtung souveräner Staaten zur Einhaltung der Menschenrechte stärker ins Zentrum rücken. Daran werden wir festhalten. Je eher und je mehr es möglich wird, dies im Rahmen einer multilateralen Ordnung, das heißt im Rahmen der UNO und der OSZE vor allem durch krisenvorbeugende Politik zu verwirklichen, desto eher und desto mehr wird es möglich sein, Tendenzen zu einer Selbstmandatierung einzelner Mächte oder Bündnisse, die wir ablehnen, entgegenzutreten.

Seit dem Beginn der NATO-Intervention in Jugoslawien hat sich nach unserer Beurteilung die Lage nicht zum Positiven, sondern zum Negativen verändert. Die Chance einer nachträglichen Anerkennung des Vertrages von Rambouillet durch Serbien erscheint illusorisch und deswegen kann dieses Ziel auch nicht mehr als Grund für die Entscheidung über das weitere Vorgehen herangezogen werden. Das Morden und Vertreiben seitens serbischer Banden oder staatlicher Autoritäten ist in den letzten Tagen massiv gesteigert worden. Offenbar werden ganze Landstriche im Kosovo durch eine Politik der "ethnischen Säuberung" gegen die albanische Zivilbevölkerung entvölkert. Die Zahl der Flüchtlinge steigt unablässig. Die NATO-Aktionen haben dies bisher nicht verhindern können. Damit steigt in unserer Partei wie in der Bevölkerung insgesamt die Skepsis gegenüber dem Vorhaben, auf militärischem Weg politische L..... (unvollständig)

Es ist der NATO allem Anschein nach bisher nicht gelungen, die serbische Luftabwehr so weit zu dezimieren, daß ein großangelegtes, wirksames Vorgehen gegen die jugoslawischen Einheiten, die die Vertreibung von Hunderttausenden Flüchtlingen betreiben, möglich geworden wäre. Wenn diese Lage anhält, wird auch dem zweiten Ziel der Intervention, den bedrängten Menschen zu helfen, der Boden entzogen. Wir sind daher der Auffassung, daß in dieser Situation extrem schnelle Schritte zu einer Lösung erforderlich sind. Am Ausgangspunkt der westlichen Politik in der Kosovo-Frage im letzten Herbst stand das Ziel, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die humanitäre Katastrophe, die sich gegenwärtig entwickelt, bedeutet, wenn sie nicht in letzter Sekunde noch gestoppt werden kann, eine Tragödie und ein bitteres Scheitern der Politik auch unserer Bundesregierung. Wir hoffen immer noch, daß das Angesichts der Dringlichkeit einer Verbesserung der Lage im Kosovo darf keine einzige Möglichkeit zu einem Ausweg gering geachtet oder ausgelassen werden. Deshalb appellieren wir an die Bundesregierung, parallel zu dem Vorgehen im Kosovo alle diplomatischen Initiativen zu unterstützen und selbst zu ergreifen, die geeignet erscheinen, dem Morden und der Vertreibung ein Ende zu machen. Falls positive Schritte dadurch möglich werden, daß andere Institutionen an der Stelle der NATO die Verantwortung übernehmen, ist auch dies zu unterstützen. Falls eine Lösung dadurch möglich wird, daß die NATO ein Moratorium einhält, darf auch dies nicht ausgeschlossen werden.

Europa und die Bundesrepublik haben eine hohe politische und moralische Verantwortung für die Linderung des Leids der Flüchtlinge, die bisher vertrieben worden sind. Ihnen gebührt nicht nur unsere Anteilnahme, sondern unsere massive Hilfe. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, über die bisher bereitgestellten Mittel hinaus in großzügigem Umfang die Flüchtlingshilfe und die Staaten, die von der Fluchtwelle am meisten betroffen sind, bei der Aufnahme zu unterstützen.

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