Initiative zur Wiedererhebung der Vermögenssteuer
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

bereits vor der Bundestagswahl hatte die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die Absicht, im Falle eines erneuten Wahlsieges von Rot-Grün eine Initiative zur Wiedererhebung der Vermögensteuer zu starten. Inzwischen zeigt sich, dass eine gewisse Bewegung in diese Richtung zustande kommt. Am kommenden Donnerstag werden die Gewerkschaften IG Metall und ver.di auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Wiedererhebung der Vermögensteuer fordern. Grundlage ist ein noch nicht veröffentlichtes Gutachten des DIW.

Wir haben nun gemeinsam verabredet, dass wir ganz kurzfristig als Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik im Bereich Wissenschaft und Gewerkschaften eine Unterschriftensammlung unter einen eigenen Text durchführen und in der übernächsten Woche mit einer Presseerklärung oder Pressekonferenz als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wiedereinführung der Vermögensteuer begründen und dabei natürlich auch das Presseecho auf die Gewerkschaftsinitiative mit aufnehmen.

Wir möchten Sie deshalb bitten, den beigefügten Text durch Ihre Unterschrift zu unterstützen. Wir benötigen Ihre Rückmeldung bis zum kommenden Donnerstag, den 10.10.2002 . Bitte geben Sie neben Ihrem Namen auch eine Berufs-/Tätigkeitsangabe und einen Ort bei Ihrer Rückmeldung an.

In der Hoffnung, dass unsere Aktivität durch Ihre Unterstützung auf eine größere Medienresonanz stößt, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen Axel Troost

-------------------------------------------------------------------------- -- ---------------------------- Initiative zur Wiedererhebung der Vermögensteuer

Ein Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Vernunft Die deutsche Finanzpolitik hat sich in eine Lage manövriert, in der sie die wirtschaftliche Entwicklung blockiert und die soziale Spaltung vertieft. Sie richtet sich vorrangig darauf, die Ausgaben der öffentlichen
Haushalte zu senken und durch immer neue Sparprogramme die Haushaltsdefizite bis zum Jahre 2004 auf nahezu Null zu bringen. Betroffen von den Streichungen und Kürzungen sind vor allem Sozialleistungen, Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie die öffentlichen Investitionen. Die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden für Sachinvestitionen sind in den letzten 10 Jahren absolut von 52 Mrd. € im Jahre 1992 auf 40 Mrd. € im vergangenen Jahr, also um über ein Fünftel gesenkt worden, darunter die öffentlichen Investitionen der Länder und
Gemeinden Ostdeutschlands (ohne Berlin) von 11,6 Mrd. € auf 7,8 Mrd. € (2000). Dies führt zu irreparablen Schäden an der Infrastruktur, die für die wirtschaftliche Entwicklung blockieren. Die Einsparungen bei Bildung, Ausbildung und Wissenschaft lassen das geistige Potential der Menschen ungenutzt, und die Kürzungen der Sozialleistungen drücken Millionen an den Rand der Gesellschaft. Überdies ist staatliche Sparpolitik in Zeiten anhaltender Massenarbeitslosigkeit wirtschaftlich unvernünftig, weil sie zur allgemeinen Schwäche der Nachfrage beiträgt und damit
krisenverschärfend wirkt.

Zur Begründung der von Rot-Grün verfolgten Sparpolitik wird neben demökonomisch nicht sinnvollen Ziel, die öffentliche Kreditaufnahme auf Null zurückzuführen, der Mangel an staatlichen Einnahmen angeführt. Dieser Mangel ist jedoch weitgehend selbst verschuldet. Die konservative Bundesregierung hatte in den 16 Jahren ihrer Amtszeit ihren wirtschaftspolitischen Ehrgeiz vorrangig darauf gesetzt, die Steuern zu senken; und die nachfolgende rotgrüne Regierung hat diese Orientierung im Widerspruch zu ihrem Koalitionsvertrag nach einer kurzen Aufbruchphaseübernommen. Die jüngsten Senkungen der Körperschaftsteuer und des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer sowie die Steuerbefreiung von Gewinnen aus der Veräußerung von inländischen Kapitalbeteiligungen haben die Notlage der öffentlichen Haushalte – insbesondere bei den Ländern und Gemeinden – dramatisch verschärft und die soziale Polarisierung weiter vorangetrieben.

In dieser Situation ist es ein besonderer Skandal, dass die rot-grüne Bundesregierung trotz gegenteiliger Versprechen im Wahlkampf 1998 und einem Hinweis im Koalitionsvertrag die Vermögensteuer nun definitiv nicht mehr erheben will. Die bis 1997 bestehende Vermögensteuer war 1995 vom Bundesverfassungsgericht u.a. beanstandet worden, weil das Grund- und Immobilienvermögen wegen der niedrigen Bemessungsgrundlagen zu gering besteuert und damit der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Vermögensarten verletzt werde. Statt die Berechnung des Grund- und Immobilienvermögens nun auf eine realistische höhere Grundlage zu stellen, hatte die alte Bundesregierung die Erhebung der Vermögensteuer kurzerhand ganz ausgesetzt.

Dieser Verzicht auf die Vermögensteuer hat die Haushaltssituation weiter angespannt und die soziale Ungerechtigkeit verschärft.

Dass die Erhebung einer Vermögensteuer vor allem aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit angemessen ist, belegt auch die außerordentlich große – und in den 90er Jahren weiter gestiegene – Ungleichheit der Vermögensverteilung in Deutschland. Nach der letzten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Bundes verfügten die zehn Prozent reichsten
Haushalte in Deutschland 1998 über gut die Hälfte (50,4 %) des gesamten Nettogeldvermögens; 1993 hatte dieser Anteil noch bei 46,4 % gelegen. Am anderen Ende der Verteilung hatte 1993 die untere Hälfte aller Haushalte 7,7 % des Nettogeldvermögens besessen, und dieser Anteil sank bis 1998 auf 4,7 %. Während das untere Viertel der Haushalte 1993 noch einen kleinen positiven Anteil am Nettogeldvermögen besaß (0,1 %), überstiegen 1998 hier die Schulden sogar das Vermögen (-1,5 %). Die leistungslosen Vermögenseinkommen sind in den neunziger Jahren im Vergleich zu allen anderen Einkommensarten weitaus am schnellsten gestiegen. Nach
Berechnungen des WSI nahmen sie (brutto, saldiert) von 125 Mrd. € 1991 auf 205 Mrd. € 2000, damit um 64 % zu.

Vermögensteuern sind in anderen Ländern üblich und tragen dort in erheblichem Umfang – in den USA, Großbritannien und Japan beispielsweise zu über 10 % – zum gesamten Steueraufkommen bei. Schon Mitte der 90er Jahre, als die Vermögensteuer in Deutschland noch erhoben wurde, lag ihr Beitrag zu den Steuereinnahmen mit 2,8 % weit unter dem der genannten Vergleichsländer. Es kann also auch nicht argumentiert werden, dass die Wiedereinführung der Vermögensteuer in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern schaffe.

Auch die Behauptung, dass die Besteuerung des Vermögens zur Diskriminierung des Sparens durch Doppelbesteuerung des Einkommens führe, unterstellt fälschlicherweise, dass die Vermögensbildung bei Bezieher hoher Einkommen Ausdruck eines Konsumverzichtes sei. Wer über hohes Vermögen verfügt, der verfügt über eine hohe Leistungsfähigkeit. Eine Vermögensteuer hätte zudem eine im Gegenteil kreislauf- und wachstumstheoretisch besonders günstige Wirkung, weil sie Teile des angehäuften, also nicht konsumwirksamen Vermögens mobilisiert und als öffentliche Ausgaben zur Belebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in
den wirtschaftlichen Kreislauf zurückführen würde, ohne dass es auf Seiten der von der Vermögensteuer Betroffenen zu Nachfrageausfällen kommt.

Wir fordern daher die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, die Vermögensteuer auf einer neuen, den Geboten des Bundesverfassungsgerichtes entsprechenden Grundlage in Deutschland wieder einzuführen.

Im einzelnen sollte die Ausgestaltung wie folgt aussehen:

- Immobilienvermögen wird mit dem Ertragswert (d.h. dem 18fachen der Jahresmiete) angesetzt;

- pro Haushalt gibt es einen Freibetrag von 350.000 €, der sich um 75.000€ je Kind erhöht;

- der Steuersatz beträgt 1 % auf das Nettovermögen (= Bruttovermögen minus Schulden).

Auf dieser Grundlage würde die Vermögensteuer bei vorsichtiger Schätzung zu einem Steueraufkommen von 16 Mrd. € pro Jahr führen.

Dies ist ein relativ bescheidener Betrag, der keinesfalls die Lösung aller Finanzprobleme in Deutschland ermöglicht. Weitere Steuererhöhungen – z.B. die Wiedereinführung der Anfang der 90er Jahre abgeschafften Kapitalverkehrssteuern sowie die stärkere und konsequent kontrollierte
Besteuerung von Spekulationsgewinnen – sind mittelfristig erforderlich.

Die schnelle Wiedereinführung der Vermögensteuer würde jedoch ein wichtiges politisches Signal setzen. Sie ist ein deutlich sichtbarer Schritt des politischen Umsteuerns – weg von einer Politik ökonomischer Unvernunft und sozialer Polarisierung, hin zu mehr wirtschaftlicher Vernunft und zu sozialer Gerechtigkeit.

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Postfach 33 04 47, 28334 Bremen Geschäftsführer: Dr. Axel Troost Tel. 0172/5403801 Fax. 0421/4914488 email: memorandum@t-online.de internet: www.memo.uni-bremen.de

 

 

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