An die
Grüne Bundestagsfraktion
Herrn Rezzo Schlauch
Frau Kerstin Müller
Frau Christine Scheel
Herrn Oswald Metzger

München, den 30. 6. 1999

 

Liebe FreundInnen und Freunde,
in der Grünen Bundestagsfraktion
liebe Christine Scheel,
lieber Oswald Metzger,


Rücktrittsforderungen gegen Jürgen Trittin,

Wir machen beide seit Jahren für die Grünen Politik. Lydia ist seit kurzem eine der beiden gleichberechtigten Sprecherinnen des Münchner Stadtvorstandes, Sigi Benker ist einer der beiden Fraktionssprecher im Münchner Stadtrat. Heute schreiben wir aber als Mitglieder der Gruppe Basisgrün München.

Seit fast zehn Jahren haben wir in München das "dienstälteste" rot-grüne Bündnis der Bundesrepublik - immerhin in einer Stadt mit über 1,2 Millionen EinwohnerInnen - und grünen Ergebnissen, die seit vielen Jahren auch zum Bundesergebnis der Grünen durchaus positiv beitragen.

Wir haben also in München viele Jahre Regierungserfahrung in der Zusammenarbeit mit der SPD. Sicherlich alles eine Nummer kleiner als in Bonn, aber die Konfliktlinien sind im Prinzip ähnlich. Deshalb können wir Eure Schwierigkeiten ganz gut verstehen - aber gerade deswegen sind wir entsetzt: Als rot-grün in Bonn begann, waren wir optimistisch und guten Mutes.

Unsere heutige Kritk richtet sich nicht gegen Eure inhaltlichen Positionen, sondern gegen Eure öffentliche Rücktrittsforderung an Jürgen Trittin. Das war in Form und Inhalt ein neuer Tiefpunkt grüner Debattenkultur.

Jürgen Trittin hat die EU-Altautoverordnung nicht durchsetzen können, weil Schröder den Kotau vor der Automobilindustrie wollte. Diesen Kotau mußte Jürgen Trittin öffentlich zelebrieren. Die Fraktion kritisiert öffentlich aber nur die Automobilindustrie - oder die Kritik an Schröder hat uns zumindest nicht erreicht.

Anstatt sich dann aber mit Trittin zu solidarisieren oder wenigstens schweigend zusammenzurücken, übernehmen zwei von Euch die Oppositionsrolle: Trittin hätte sein Gesicht beim Kotau verloren und unglücklich agiert - und muß deshalb gehen.
Zum Mitschreiben: das ist die Aufgabe der Opposition. Die muß versuchen, Schwachpunkte eines Ministers aufzuzeigen und gegebenenfalls seinen Rücktritt fordern. Wenn Christine Scheel und Oswald Metzger diesen Rücktritt fordern, dann ist das unsolidarisch.

Vielleicht agiert Jürgen Trittin nicht immer glücklich, aber er ist unseres Erachtens einer von wenigen, der bei den Grünen in Bonn - in Fraktion und Kabinett - noch immer versucht, grüne Ziele durchzusetzen. Jürgen Trittins Rücktritt wäre für die Grünen inhaltlich eine große Niederlage.

Bei den Altautos oder - vielleicht bald auch beim Atomausstieg - ist nicht Jürgen Trittin der Verlierer. Die Grünen sind die Verlierer. Ein Bauernopfer namens Trittin wird diese Schwäche der Grünen nicht in Stärke verwandeln. Insgesamt schaden solche Rücktrittsforderungen nicht einer Strömung oder Jürgen Trittin, sondern dauerhaft den Grünen.
Deswegen bitten wir Euch dringend: Hört auf, inhaltliche Schwächen und Umsetzungsmängel durch öffentliche Personaldebatten lösen zu wollen.


Mit schönen Grüßen

 


Lydia Dietrich Siegfried Benker
Stadtvorsitzende München Fraktionsvorsitzender B 90/Die Grünen im Münchner Rathaus
Cornelia Folger KV-München-Nord, Basisgrün München
(Mitglieder von Basisgruen München)
Michael Hülskötter